Achim H. Pollert: Im Spannungsfeld der Angeberei

Achim H. Pollert (*) darüber, woran man Gauner erkennt

 

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Giovanni war ein Blabla.

Wie so viele Menschen.

Reden, damit die Kiefermuskulatur nicht verkümmert.

Und dabei aber doch stets im Auge behalten, wie man von der Umgebung wahrgenommen wird.

Giovanni hatte sehr viel berufliche Laufbahn hinter sich. Ein bunter Strauss von Bankjobs. In Zürich und anderenorts. Und stets hatte er eine Erklärung, warum er nun da und dort immer mal wieder nach mehr oder weniger vielen Monaten und Jahren dann aufgehört hatte zu arbeiten.

Die Bank hatte den Geschäftszweig aufgegeben, in dem er arbeitete.

Alteingesessene Mitarbeiter hatten ihn als Neuling gemobbt. Da war er von sich aus gegangen.

Der Filialleiter der Sparkasse hatte ihn abgeworben. Der war dann als Chef aber zunehmend komisch geworden.

Zusammen mit einem Arbeitskollegen und dessen Frau hatten sie sich mit einer Beratungsfirma selbständig gemacht, und er hatte erst zu spät bemerkt, dass sie ihn beschissen hatten.

Und so weiter. Und so fort.

Ein ganzes Berufsleben lang.

Hier kommt nun eine Komponente hinzu, die ebenfalls sehr typisch ist für diese Art von Verhalten.

Natürlich war Giovanni sehr daran interessiert, die Wahrnehmung seiner Person bei den Menschen möglichst beeindruckend und profund zu gestalten. Die Leute sollten auf jeden Fall meinen, er wäre das grosse As am Platz – egal, wo er nun gerade war, egal, wie seine berufliche Situation vor Ort nun gerade konkret aussah. Er musste als derjenige dastehen, ohne den da ja wirklich gar nichts richtig laufen konnte.

Was immer sonst auch sein mochte: Selbstverständlich schätzten sie ihn dort an seinem Arbeitsplatz über alle Massen. Schliesslich hätten sie ihn sonst ja auch gar nicht angestellt.

Also erzählte Giovanni natürlich stets auch von den enormen Gehältern, die er an seinen verschiedenen Arbeitsplätzen bezahlt bekam. Schliesslich hielt er das gediegene Salär für die deutlichste Form der Anerkennung. Ausserdem hatte in seiner Vorstellungswelt Anerkennung allenfalls auch etwas mit Neid zu tun. Bei seinen Mitmenschen Neid zu erwecken, konnte folglich auch nicht verkehrt sein.

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So erzählte er davon, dass er bei einer Regionalbank auf dem Lande als Sachbearbeiter – ohne sonderliche Führungs- und Verantwortungsaufgabe – jeden Monat 10,000 Franken kassierte. Natürlich 14 Gehälter. Natürlich noch ohne den Bonus.

Wie aufregend.

Ob er da natürlich noch bleiben würde, wusste er noch nicht. Denn der Chef, den er von früher kannte und der ihn gezielt angeworben hätte, würde wohl demnächst seinen Posten aufgeben. Und ob er sich mit dem Stellvertreter vertragen würde, wüsste er noch nicht…

DER KONFLIKT

Wir kennen die Blabla-Sprüche.

Und wer naiv ist – so wie ich -, ist zunächst einmal geneigt, solche Sprüche zu glauben. Insbesondere wenn sie es erreicht haben, dass man sie achtet oder sympathisch findet.

Die Problematik wird bei solchen Menschen dann oft viel später erst offenbar, wenn nämlich ein Konflikt entsteht zwischen zwei Erzählungsversionen.

Zwar sollen die Mitmenschen für einen solche Blabla grösste Hochachtung aufbringen. Bewunderung soll ihm zuteil werden. Es soll offen zutage treten, was für eine geachtete und anerkannte, kompetente und begehrte Persönlichkeit er doch ist.

Zugleich aber sucht dieser Mensch – besonders wenn wieder einmal ein Absturz droht – nach Zuwendung, menschlichem Verständnis, positiven Gefühlsäusserungen u.s.w., nicht zuletzt auch, damit ihn vielleicht einer aus Mitleid dann wieder auffängt.

Das aber führt dann zum Konflikt.

Einerseits das As, das keine Grenzen kennt. Andererseits aber der arme Mensch, mit dem man eben Mitgefühl haben soll. Denn der Schlüssel zur positiven Zuwendung heisst Mitleid. Mitleid jedoch passt nicht in das Muster vom hochbezahlten und einflussreichen Superstar.

Beides zugleich geht nicht.

Oft werden diese Mitleidsprüche auch umgelagert auf andere Bereiche – insbesondere wenn nicht gerade ein Absturz droht. Da ist dann die Rede vom „mörderischen Stress“, vom 16-Stunden-Arbeitstag, von der Unfairness im Alltagsleben, von den privaten Widrigkeiten, von all den Betrügereien, deren Opfer man wurde.

Und so weiter.

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Dass das dann alles nicht mehr zu den anderen Sprüchen passt, wird vielfach nicht einmal allgemein wahrgenommen. Das mag auch daran liegen, dass viele Blabla insgesamt nicht so sehr wahrgenommen werden.

Aber natürlich fällt es einem nicht unbedingt leicht, mit jemandem Mitgefühl zu empfinden, der einem gerade erzählt hat, was für ein privilegierter und erfolgreicher Mensch er doch ist.

Das Ganze hat meist weniger eine bewusste Planung zum Hintergrund, sondern ist eher ein Verhaltensmuster, indem eine Lebenslüge immer weiter verfolgt und gepflegt wird.

Und so kommt es eben, dass die „G’schichtli“ irgendwann nicht mehr zueinander passen..

Eben der Konflikt, in den alle geraten, die sich all zu weit in die Unaufrichtigkeit rund um ihre Person verstricken und dabei allzu sehr von allen anderen wahrgenommen werden wollen.

Stellt man nun in den Erzählungen des Einen oder Anderen solche Dinge fest, bei denen man sich ganz einfach fragt, wie das denn sein kann, spätestens dann sollte man sich selber angewöhnen, die Alarmglocken läuten zu lassen.

„Ich verdiene 10,000 im Monat… aber ich bin ein so armer Mensch, der sich selbst die einfachsten Dinge nicht leisten kann…“

„Ich bin zwar bei jedem Opernball, jedem Davos und jeder anderen teueren Belustigung dabei… aber ich habe so einen wahnsinnig harten Job, dass ich kaum mal eine Nacht lang durchschlafen kann…“

All diese Sprüche, die man kennt… und denen einer wie ich zu lange zu gläubig zuhört…

Den Gauner erkennt man spätestens dort, wo sich dieser Konflikt offenbart.

Wie gesagt: Zeit für den Alarm…

… UND GIOVANNI?

Ach ja… was aus Giovanni wurde…

Nachdem er wieder einmal einen seiner Jobs mit Stargage verloren hatte, ging er eine Weile stempeln, derweil er weinend bei Freunden am Telefon hing und über seine Existenzängste jammerte.

Dann hörte man, er habe einen Job „angenommen“ bei einem Treuhandbüro.

Dort müsste er den ganzen Tag Steuererklärungen für Kunden ausfüllen. Eine langweilige Arbeit, weit unter seinem Niveau.

Und er verdiente dort auch nur lumpige 6,500 im Monat…

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Achim H. Pollert Autor, Publizist, Berater; Schwerpunkte: Wirtschaft, Psychologie, Wissenschaft, Personalwesen, Geschichte/Politik; lebt in der Schweiz und Frankreich; spricht Deutsch, Englisch, Französisch fliessend
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